Der Teufelskreis der Schmerzen: Warum wir uns manchmal selbst im Weg stehen!

Rückenschmerzen sind oft mehr als nur körperliche Beschwerden – sie spiegeln oft auch psychische Belastungen wider. Ein Interview mit Expertin Katy Burdack beleuchtet diese Verbindung.

Wenn Sorgen aufs Kreuz gehen

Interview mit Psychologin Katy Burdack

Haben wir Rückenschmerzen, suchen wir meist schnell nach körperlichen Ursachen. Doch auch unsere Psyche spielt dabei eine große Rolle, wie wir Schmerzen wahrnehmen und mit ihnen umgehen. Katy Burdack, Psychologin bei den Sana Kliniken Leipziger Land, erklärt im Interview, wie sich Körper und Seele gegenseitig beeinflussen und wie wichtig diese Verbindung für das Verständnis und den Umgang mit Rückenschmerzen ist.

Einseitige Belastung und wenig Bewegung sind oft Auslöser für Rückenschmerzen.

Stress: Freund oder Feind? Was wirklich hinter den Kulissen passiert!

Einseitige Belastung und wenig Bewegung sind oft Auslöser für Rückenschmerzen. Aber auch der Faktor Stress spielt eine bedeutende Rolle. Wie kommt es dazu? Stress ist per se nichts Negatives, sondern ein uralter Mechanismus zum Schutz vor Gefahren. Stress versetzt unseren Körper in erhöhte Alarmbereitschaft. Der Körper schüttet Adrenalin aus, der Blutdruck steigt und wir atmen schneller, so dass die Muskeln besser mit Sauerstoff versorgt werden, um im Ernstfall schnell fliehen zu können. Doch während unsere Urahnen den Stress durch Flucht oder Kampf auflösen konnten, haben wir in unserer modernen Lebenswelt oft wenig Gelegenheit, dem Zustand der ständigen Alarmbereitschaft etwas entgegen zu setzen. Dabei muss der Stress gar nicht immer mit dem Job zu tun haben. Auch Probleme in der Familie, Streit oder Sorgen können uns stressen. Nicht zuletzt spielt auch unsere psychische Grundeinstellung eine Rolle. Eine positive oder negative Lebensperspektive hat auch einen Einfluss darauf, wie wir auf Stress reagieren.


Psychologin Katy Burdack vom Sana Klinikum Borna im Portrait

Unsere Expertin für psychosomatische Schmerzen

Katy Burdack
Psychologin
Telefon 03433 21-1608
katy.burdack@sana.de

Welche Folgen hat ständiger Stress auf den Körper?

Unsere Muskeln verspannen und verhärten sich, die Nerven werden gereizt. Um dem Schmerz zu entkommen, nehmen wir Schonhaltungen ein, was die Muskulatur noch mehr aus dem Gleichgewicht bringt. Kommt dann noch eine unachtsame Bewegung hinzu, kann es zu akuten Schmerzen im Rücken kommen.

Was passiert mit unser Psyche bei dauerhaften Schmerzen?

In vielen Fällen bekommen wir akute Rückenschmerzen gut in den Griff. Es gibt aber auch Menschen, bei denen die Schmerzen nicht so schnell vorbeigehen. Halten Rückenschmerzen länger als drei Monate an oder treten immer wieder auf, sprechen Medizinerinnen und Mediziner von chronischen Schmerzen. Natürlich werden dauerhafte Rückenschmerzen auch durch körperliche Faktoren ausgelöst, wie zum Beispiel einen Bandscheibenvorfall oder Entzündungen. Solch ein Dauerschmerz führt aber auch zu einem komplexen Zusammenspiel zwischen Körper und Seele mit Belastung der Psyche. Betroffenen können depressive Symptome entwickeln, werden antriebslos, ziehen sich zurück, grübeln, haben Ängste und schlafen schlecht. Das wiederum führt zu einer geringeren Leistungsfähigkeit und schlägt sich negativ auf das Selbstwertgefühl nieder. Das ist besonders für Berufstätige ein großes Problem.

Was können wir jeden Tag selbst tun, um langandauernde Rückenbeschwerden und psychische Belastungen zu vermeiden?

Sicher werden wir nie ganz schmerzfrei durchs Leben gehen können. Dennoch haben wir – wie bei so vielem – auch unsere Rückengesundheit selbst in der Hand. Wer sorgsam mit sich umgeht, in Bewegung bleibt und eine positive Einstellung hat, ist geschützter als inaktive, negativ gestimmte Personen. Natürlich sind alle Menschen individuell und haben ihre eigene Einstellung. Aber man kann durchaus lernen, positiver auf das Leben zu blicken, indem man sich zum Beispiel bewusst gute Erlebnisse verschafft und genießt. Das können Kleinigkeiten sein, wie eine kurze Auszeit mit einer Tasse Tee, ein gutes Buch, Sport mit Freunden oder ein schöner Spaziergang.

Wie lassen sich diese Zusammenhänge erklären?

Negative Gefühle, Stress und Schmerzen werden in den gleichen Hirnarealen verarbeitet. Somit können Schmerzen zu Stress und negativen Gefühlen beitragen. Und umgekehrt ist es möglich, dass sich negative Gefühle in Schmerzen niederschlagen.

Der Schmerz verselbständigt sich quasi und wird permanent aufrechterhalten, auch wenn er körperlich und medizinisch manchmal gar nicht mehr zu begründen ist. Für die Betroffenen ist die Schmerzwahrnehmung jedoch immer noch da. Angehörige, Freunde und Arbeitskollegen können das meist nur schwer nachvollziehen. Chronische Schmerzpatienten hören dann oft Sätze wie „das bildest du dir nur ein“ oder „das kann nach dieser langen Zeit doch nicht mehr so schlimm sein“. Betroffene fühlen sich in der Folge unverstanden und zunehmend belastet. Alles bedingt einander und kann in einen Kreislauf führen, der für die Betroffenen nicht leicht zu durchbrechen ist.

Wie können Patienten diesem Kreislauf entkommen?

Um aus dem Teufelskreis auszubrechen, gibt es unter anderem die Möglichkeit einer multimodalen Schmerztherapie aus verschiedenen Therapiebestandteilen. Die Schmerzpatienten brauchen neben der medizinischen Versorgung durch unterschiedliche Fachärzte wie Orthopäden oder Narkoseärzte (Anästhesisten) auch eine umfassende psychologische Betreuung. Die Patientinnen und Patienten erlernen darüber hinaus Techniken, wie Entspannungs- und Atemübungen, mit denen sie den körperlichen Reaktionen auf Stress besser begegnen können. Hinzu kommen Angebote wie Bewegungstherapie oder Ernährungsberatung. Patienten haben oft einen langen Weg vor sich. Wir müssen bei den Betroffenen sozusagen eine „Umprogrammierung“ erreichen, damit sie die Zusammenhänge zwischen Körper und Psyche besser verstehen und den Schmerzen dadurch anders begegnen können.

Stand: 11.03.2024

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