Erfolgreiche Therapie bei Schlaganfall im Leipziger Land
Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute. Richtig Handeln rettet Leben
Ein Schlaganfall kann jeden treffen. Diese akut lebensbedrohliche Erkrankung führt häufig zu bleibender Behinderung. Bei dem auch Hirninfarkt oder Apoplex genannten Ereignis handelt es sich um eine plötzliche Durchblutungsstörung des Gehirns. Werden Sofortmaßnahmen nicht unverzüglich eingeleitet, sterben Teile des Gehirns ab und es kann zu Tod oder Folgeschäden kommen. Wenn Sie Schlaganfall-Symptome an sich oder anderen erleben, rufen Sie sofort die 112 oder lassen Sie sich schnell auf eine Schlaganfall-Spezialstation (Stroke-Unit) bringen.
Bei Verdacht auf Schlaganfall sofort 112 rufen
Zum Fototermin kommt Gerda Rosch mit Rollator. Sie lächelt, beantwortet Fragen. „Dass sie wieder laufen und sprechen kann, grenzt an ein Wunder“, sagt Dominik Schlüter, Neurologe und angehender Zweitfacharzt für Radiologie im Sana Klinikum Borna. Der 40-Jährige, einer von vier Spezialisten in Borna, hat Gerda Rosch vor einer Woche nach einem Hirnschlag das Leben gerettet.
„Ich bin wie jeden Morgen zu Frau Rosch rüber. War bisschen spät dran, der 01. Oktober war ein Sonnabend“, erinnert sich Nachbarin Ina Maasch. Sie habe sich gewundert, dass die Außenrollos an dem Haus in Dölzig noch unten waren. Zum Glück hatte die 55-Jährige einen Schlüssel.
Gerda Rosch lag vor ihrem Bett. „Ihre Sprache war verwaschen, der Rollator für sie unerreichbar“, erzählt Ina Maasch. Sie hat sofort den Notarzt gerufen. Dann ging es mit Verdacht auf Schlaganfall in die Notfallaufnahme nach Altscherbitz. Kurze Zeit später bekam Ina Maasch einen Anruf von Dominik Schlüter.
„Ich hatte Schlaganfallinterventionsdienst und erhielt zuhause die Information, dass im Krankenhaus Altscherbitz eine Patientin mit Verschluss der linken Großhirnarterie liegt“, berichtet der Assistenzarzt. Ein Blutgerinnsel in der Aufzweigung der beiden Großhirnarterien. Kurz Carotis T Verschluss genannt. „Die linke Großhirnhälfte wurde nicht mehr mit Blut versorgt“, erklärt er.
Revolution in der Schlaganfalltherapie
Wie bei akuten Schlaganfällen üblich, wurde in Altscherbitz die Lyse-Therapie eingeleitet. „Das ist der Versuch, das verschließende Gerinnsel medikamentös aufzulösen“, erläutert Dominik Schlüter. Das Lyse-Zeitfenster ist eng: Maximal viereinhalb Stunden nach Beginn der Symptome muss die Therapie einsetzen. „Das war bis vor paar Jahren die einzige zugelassene Therapie“, betont der Arzt. Gerda Rosch hätte wohl nicht überlebt. Ihr Zustand verschlechterte sich in Altscherbitz, trotz adäquater Therapie.
Es blieb nur die Thrombektomie bei den Spezialisten in Borna. Das Verfahren ist erst seit 2015 etabliert und gilt als Revolution in der Schlaganfalltherapie. Unter Vollnarkose schiebt der speziell ausgebildete Arzt, Radiologe oder Neuroradiologe einen Katheter von der Leiste bis in den Kopf. Das Blutgerinnsel wird mechanisch aus der betroffenen Hirnarterie entfernt, das Blut kann wieder fließen. Präzisionsarbeit unter Zeitdruck – und bestimmten Voraussetzungen. Da kam Ina Maasch wieder ins Spiel.
Eine der Risiken, der Faktor Zeit
„Eine Thrombektomie unterliegt engen Indikationskriterien, so ist zum Beispiel der körperliche und geistige Zustand vor dem Schlaganfallereignis wichtig. Im Telefonat erfuhr ich, dass Gerda Rosch allein lebt, ihr Haus bewirtschaftet. Jetzt hatte sie schwerste Schlaganfallsymptome. Der linksseitige Verschluss hatte zu einer Halbseitenlähmung rechts und Sprachverlust geführt. Sie hatte viel zu verlieren“, so Dominik Schlüter. Eine weitere CT-Untersuchung ergab, dass Gerda Rosch unter der Lyse keine Hirnblutung entwickelt hatte, eines der Risiken. Blieb der Faktor Zeit.
„Laut Leitlinien für die Thrombektomie dürfen zwischen Symptombeginn und Leistenpunktion maximal sechs Stunden vergehen. Wann Frau Rosch die ersten Symptome hatte, war unklar. Die Nachbarin hatte sie Freitagabend zuletzt gesund gesehen. Dominik Schlüters Hoffnung: zwei Studien aus dem Jahr 2018. Beide hatten gezeigt, dass die Therapie selbst 24 Stunden nach dem Schlaganfall noch Erfolg versprechend ist.
Im Ernstfall die 112 rufen
Gerda Rosch wurde mit dem Rettungswagen nach Borna verlegt. Dominik Schlüter, inzwischen in Borna, nahm seine Patientin in Empfang und wieder ging es ins CT. Diesmal ein sogenanntes Perfusions-CT mit Kontrastmittel und spezieller Software. „Mit diesem CT kann der Radiologe sehen, wie die Durchblutung im Gehirn erhalten ist, wie viel Gewebe verloren und wie viel Gewebe rettbar ist“, erläutert der Arzt. Die Überraschung: „Frau Rosch hatte keinen Infarktkern, kein abgestorbenes Gewebe. Damit stieg die Chance, dass sie sich weitgehend erholen kann.“
Der Eingriff selbst dauerte 20 Minuten. „Wir sind ein sehr gut eingespieltes Team. Die Schwestern, die Anästhesie, die Neurologen“, so Dominik Schlüter. Danach wurde Gerda Rosch auf der Stroke Unit, der Schlaganfallintensivstation, weiter betreut. „Als sie zu uns kam, hätte ich nicht damit gerechnet, dass die Patientin eine Woche später fast symptomlos sein wird“, beschreibt der Arzt das Wunder und fügt schmunzelnd hinzu, „Ich hatte der Nachbarin noch gesagt, ich glaube nicht, dass sie wieder die Alte wird.“
Chefarzt Dr. Torsten Hantel, Leiter des Instituts für Diagnostische und Intervenionelle Radiologie | Neuroradiologie, der das Dienstteam vor Ort beraten hatte, zeigte sich anschließend sehr zufrieden „Es ist ein gutes Gefühl, wenn ich sehe, dass die nächste Generation professionell und erfolgreich arbeitet, für uns ein Zeichen, dass wir in der Weiterbildung alles richtig gemacht haben und zukünftig den Staffelstab in erfahrene Hände übergeben werden.“
Gerda Rosch hat ein Ziel: „Zurück nach Hause in meine eigenen vier Wände.“ Davor geht es noch für ein paar Wochen zur Reha ins geriatrische Zentrum nach Zwenkau.
Beim Schlaganfall ist Zeit Gehirn und damit Leben
Dominik Schlüter appelliert derweil: „Beim Schlaganfall ist Zeit Gehirn und damit Leben. Sobald die Sprache verwaschen ist, Sehstörungen auftreten oder eine halbseitige Lähmung, sofort den Notarzt holen. Weil der Schlaganfall keine Schmerzen macht, wie der Herzinfarkt, denken viele, das geht allein wieder weg. Nein! Je früher die Therapie beginnt, umso besser.“
Betroffen sind nicht nur Hochbetagte. Die jüngste Katheter-Patientin in Borna war 14 Jahre. Für die Risikofaktoren Bluthochdruck, Diabetes, hohe Blutfettwerte und Herzrhythmusstörungen können genetische Dispositionen ursächlich sein. Meist ist es aber eine ungesunde Lebensweise. Deshalb Übergewicht abbauen, viel bewegen und nicht rauchen.
Selbsthilfegruppe in Borna: Interessierte gesucht!
Es kann jeden treffen, plötzlich tritt eine Durchblutungsstörung im Gehirn auf, genannt Schlaganfall. Nicht selten leiden die Betroffenen lebenslang an Behinderungen. Um mit diesen teils gravierenden Einschränkungen zurechtzukommen, soll im Leipziger Land eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen werden.
Interessierte können sich unter der 03433 21-1481 bzw. unter neurologie.borna@sana.de gern an das Sekretariat der Klinik für Neurologie am Sana Klinikum Borna wenden.
Ansprechpartner Neuroradiologie
Dr. Torsten Hantel
Facharzt für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie, Neurologie und Psychiatrie; Leiter des Interdisziplinären Neuromedizinischen Zentrums
Telefon 03433 21-1801
torsten.hantel@sana.de
Ansprechpartner Schlaganfallstation
Andreas Staudenmayer
Facharzt für Neurologie und Intensivmedizin
Telefon 03433 21-1481
andreas.staudenmayer@sana.de
Häufige Folgen nach einem Schlaganfall, die Patienten und Angehörige kennen sollten
Halbseitenlähmung
Bei einer Halbseitenlähmung (»Hemiplegie«) können die Betroffenen eine Körperhälfte nicht mehr richtig spüren und bewegen. Hier helfen insbesondere Experten aus Physio- und Ergotherapie mit Übungen und Alltagstraining sowie Sanitätshäuser mit der richtigen Hilfsmittelversorgung.
Sprachstörung
Eine Sprachstörung (»Aphasie«) äußert sich auf vielfältige Weise, unter anderem durch Schwierigkeiten in Bezug auf Sprachverständnis, Wortfindung, Lese-Sinn-Verständnis oder Schreiben. Bei Vorliegen einer Sprachstörung ist die logopädische Versorgung elementar.
Schluckstörung
Bei einer Schluckstörung (»Dysphagie«) kommt es zu Problemen beim Schluckvorgang mit häufigem Verschlucken, Hustenanfällen oder sogar Atemnot. Auch bei Schluckstörungen sind Logopäd:innen die richtigen Ansprechpersonen.
Kognitive Einschränkungen
Zu den kognitiven Einschränkungen gehören zum Beispiel Störungen in den Bereichen Konzentration, Aufmerksamkeit, Erinnerungsfähigkeit oder Orientierung. In diesen Fällen ist die Hilfe von Neuropsycholog:innen gefragt.
Persönlichkeits- und Wesensveränderungen
Manche Patient:innen scheinen nach dem Schlaganfall nicht mehr sie selbst zu sein. Häufige Veränderungen sind depressive Verstimmungen, Distanzlosigkeit oder Zurückgezogenheit. Diese Veränderungen sind eine Folge der Erkrankung und stellen eine große Stressbelastung dar. Angehörige sollten mit Psycholog:innen und | oder Neuropsycholog:innen darüber sprechen.
Stand: 26.04.2024