Verengung der Halsschlagader: Was sie so gefährlich macht

Etwa ein Drittel aller Hirninfarkte lassen sich auf eine Verkalkung der Halsgefäße zurückführen. Bei einem Teil dieser Patienten kommt es infolge dessen zu einer Verengung der Halsschlagader (»Carotis-Stenose«), die eine Minderdurchblutung im Gehirn auslöst. So war es auch bei Gerhard Romisch.

„Ich bin zufrieden“, sagt Gerhard Romisch, als er Mitte April zur Kontrolluntersuchung in die Sprechstunde des Gefäßzentrums kommt. „Die Hand kann ich schon wieder viel besser bewegen, nur die feinen Bewegungen klappen manchmal noch nicht so gut.“ Vor drei Monaten war daran noch nicht zu denken, denn für Gerhard Romisch begann das Jahr wenig erfreulich im Zentrum für Notfall- und Akutmedizin des Sana Klinikums Borna. Seine Beschwerden setzten bereits ein paar Tage zuvor ein: „Ich hab‘ gemerkt, dass ich in der linken Hand kein richtiges Gefühl mehr habe“, berichtet er. Der 72-Jährige ahnte zunächst nichts Dramatisches; eine Reaktion, die durchaus häufig vorkommt, aber gefährlich sein kann: denn Gefühlsstörungen können ebenso wie Sprachstörungen oder einseitige Lähmungen in Gesicht, Arm und Bein auf einen Schlaganfall hindeuten.

Hirninfarkt: Minderdurchblutung im Gehirn

Bei einem Schlaganfall kommt es zu einem Gefäßverschluss im Gehirn. Verursacht wird der Hirninfarkt durch:

  • Veränderungen der kleinen, hirnversorgenden Gefäße.
  • eine Verkalkung der Hirnarterien.
  • ein Gerinnsel, das sich im Herzen oder in der Halsschlagader gebildet hat und mit dem Blutstrom ins Gehirn gelangt ist.

In Folge wird die dahinterliegende Hirnregion nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt und es treten Symptome eines Schlaganfalls auf. Tatsächlich verursacht ein Hirninfarkt in der Regel keine Schmerzen. Wenn zudem die Bewegungsfähigkeit oder Sprache nicht so stark beeinträchtigt sind, dass sie ein Handeln erzwingen oder die Beschwerden von allein wieder verschwinden, denken viele nicht an eine Notsituation. Neurologin und Oberärztin Dr. Anika Schlüter betont: „Auch, wenn sich die Symptome nach ein paar Minuten wieder zurückbilden, so sind sie ein Warnsignal – das Zeichen einer vorübergehenden Durchblutungsstörung. Und diesem folgt nicht selten innerhalb der nächsten Stunden ein weiterer Schlaganfall, der dann zu bleibenden Schäden oder auch zum Tod führen kann.“

Zeit ist Gehirn: Bei Symptomen die 112 rufen!

Bei Gerhard Romisch war es der Hausarzt, der ihn einige Tage später nach Borna ins Zentrum für Notfall- und Akutmedizin (ZNA) geschickt hat. Die Sana Kliniken Leipziger Land verfügen über eine Schlaganfallspezialstation (»Stroke unit«), die für die überregionale Versorgung ausgelegt und rund um die Uhr – also auch nachts, an Wochenenden und Feiertagen – mit spezialisierten und erfahrenen Ärzt:innen und Pflegkräften besetzt ist. Trifft ein Patient mit Verdacht auf einen Hirninfarkt im ZNA ein, so ist das Ziel der Akuttherapie, die Durchblutung im Gehirn schnellstmöglich wiederherzustellen. Welche Therapie dafür eingeleitet wird, hängt neben den konkreten Befunden auch davon ab, wie viel Zeit seit dem Auftreten der ersten Symptome vergangen ist. Für die bei Hirninfarkten übliche Thrombolyse-Therapie, mit deren Hilfe versucht wird, das Gerinnsel medikamentös aufzulösen, dürfen seit Symptombeginn nicht mehr als 4,5 Stunden vergangen sein. In bestimmten Situationen ist es möglich, das Gerinnsel mechanisch mit Hilfe von Absaugkathetern – der sogenannten Thrombektomie – zu entfernen. Diese Therapie wird auch in Borna angeboten. Sie wird im Regelfall in den ersten sechs Stunden nach Symptombeginn angewendet, kann jedoch unter Umständen auch bis 24 Stunden danach noch sinnvoll sein. Allerdings gelten für die späten Zeitfenster strenge Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen.

Neurologische Schäden durch Verengung der Halsschlagader

Für Herrn Romisch waren allerdings die Zeitfenster für beide Therapieansätze bereits geschlossen. Um seinen Gesundheitszustand zu stabilisieren und weitere Hirninfarkte zu verhindern, blieb es dennoch wichtig, die Durchblutungsstörung zu diagnostizieren und zu behandeln. Dafür wurde der Patient auf die Schlaganfallspezialstation aufgenommen, diagnostiziert und überwacht. Dies umfasste auch eine umfangreiche Umgebungsdiagnostik, bei der die Herzkranzgefäße und Beingefäße untersucht wurden, um den Patienten vor weiteren schweren Erkrankungen wie zum Beispiel einen Herzinfarkt zu schützen. Blutdruck und Blutfette wurden medikamentös optimiert und der Patient von Anfang an auch logopädisch, ergo- und physiotherapeutisch betreut. „Diagnostisch ergab die Ultraschalluntersuchung der Halsgefäße eine fast vollständige, durch eine Arteriosklerose verursachte Verengung der rechten, vorderen Halsschlagader,“ sagt die behandelnde Neurologin Dr. Schlüter. „Die Blutzufuhr zum Gehirn war dadurch deutlich eingeschränkt und hat die neurologischen Schäden verursacht.“

Ernährungsbedingt hohe Blutfette, Rauchen und zu wenig Bewegung beschleunigen die Plaquebildung

Halsschlagader: Gefährliche Engstellen durch Arterienverkalkung

Medizinisch wird die Verengung einer der Halsschlagadern auch Carotis-Stenose genannt. Dabei bedeutet Stenose so viel wie Verengung. Carotis leitet sich von »Arteria carotis« ab, dem Fachbegriff für Halsschlagader. Ursache der Verengung sind Kalkablagerungen (»Plaques«), die sogenannte Arteriosklerose. Ablagerungen treten insbesondere im Bereich der Aufzweigung der Schlagadern auf, da im Laufe des Lebens normale Verwirbelungen im Blutfluss die Gefäßwand an dieser Stelle stärker beanspruchen. Allerdings muss nicht jede Ablagerung sofort behandelt werden. „Wenn die Verengung noch keine Symptome verursacht, ist die Therapieentscheidung Ergebnis einer Risikoabwägung und hängt vom Lebensalter, vom Grad der Verengung und der Struktur der Ablagerung ab“, erklärt der Gefäßmediziner. „Ist sie aber Ursache neurologischer Schäden, ist die Beseitigung der Engstelle im Gefäß unumgänglich.“


Von links nach rechts: Dr. Peter Schwarzkopf, Dr. Thomas Bürkigt und Dr. Annika Schlüter

Bei Verdacht ab in die Gefäß-Sprechstunde

Besteht ein Verdacht auf eine Gefäßverengung und liegen Risikofaktoren wie Herzkrankheiten, Diabetes, hoher Cholesterinspiegel, periphere-arterielle Verschlusskrankheit oder genetische Veranlagung vor, empfiehlt sich eine präventive Ultraschalluntersuchung der Halsschlagadern. Nach Absprache mit Ihrem Hausarzt können Sie dafür gerne einen Termin in unserer Gefäßsprechstunde vereinbaren.

  • Anmeldung unter Tel.: 03433 21-1396 oder online

Nebenwirkungsarme OP-Verfahren

Auf welchem Weg die Engstelle im Blutgefäß beseitigt wird und was dafür diagnostisch wie therapeutisch vorbereitend und begleitend notwendig wird, darüber berät am Bornaer Zentrum für Gefäßmedizin die fachübergreifende Gefäßkonferenz, an der Gefäßchirurgen, Angiologen, Neurologen und Radiologen teilnehmen. Die fachübergreifende Teamarbeit gehört zu den zentralen Ansätzen des Zentrums, denn Gefäßerkrankungen betreffen nicht nur das gesamte Blutgefäßsystem, sondern auch die zu versorgenden Organe. Bei der Wahl des operativen Verfahrens ist es ein wichtiges Anliegen der Behandler, die Belastung insbesondere für ältere Patientinnen und Patienten mit Begleiterkrankungen gering zu halten. Im Fall von Gerhard Romisch entschied sich das Team zur zeitnahen operativen Entfernung der Plaques unter örtlicher Betäubung.

Schmerzfrei ohne Vollnarkose

Für den Eingriff wird das Nervengeflecht im Halsbereich betäubt. Eine Vollnarkose ist nicht notwendig. „Der Patient bleibt wach, ist ansprechbar und wir können ihn jederzeit neurologisch überwachen“, sagt Dr. Peter Schwarzkopf, Oberarzt der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Palliativmedizin. Neurologisch überwachen bedeutet, dass das OP-Team Nervenfunktionen wie Wachheit, Denken, Aussprache und Motorik prüft. Dafür sprechen die Ärzte mit dem Patienten, lassen ihn rückwärts zählen und mit der Hand einen Quietschball drücken. Die neurologische Überwachung ist notwendig, da die Halsschlagader für die Dauer des Eingriffs abgeklemmt wird. An den Reaktionen des Patienten sehen die Operateure, bevor sie das Blutgefäß eröffnen, ob die anderen Schlagadern das Gehirn noch ausreichend versorgen. Wenn dies nicht so ist, setzen die Chirurgen einen Shunt, also eine Überbrückung ein, um den Blutfluss zu gewährleisten. Bei Herrn Romisch ist der Eingriff erfolgreich verlaufen. Wenige Tage danach war er bereits wieder auf den Beinen. Mit der Entfernung der Plaques ist die Engstelle beseitigt. Um einen erneuten Engpass an den Halsschlagadern langfristig zu verhindern, müssen die Risikofaktoren dauerhaft gesenkt und kontrolliert werden. Dazu gehören neben einem gefäßfreundlichen Lebensstil, die medikamentöse Blutverdünnung, die Einstellung des Fettstoffwechsels und die jährliche Nachsorgeuntersuchung in der Sprechstunde des Zentrums für Gefäßmedizin.

Gesunde Gefäße bis ins hohe Alter

Neben ausreichend Bewegung, dem Verzicht auf das Rauchen und gegebenenfalls der optimalen Einstellung von Bluthochdruck und Diabetes ist es eine gesunde Ernährung, die unsere Gefäße elastisch und frei von Ablagerungen hält.

Orientieren Sie sich an der mediterranen Küche, die reich an Gemüse und ungesättigten Fettsäuren (Oliven- oder Rapsöl) ist. Achten Sie auf ausreichend Ballaststoffe, sie können helfen, das ungesunde Cholesterin zu senken. Ballaststoffe finden sich vor allem in Vollkornprodukten, in faserigem Gemüse wie bspw. Kohlarten, in Hülsenfrüchten, Naturreis, Nüssen und Samen. Reduzieren Sie Salz. Kochen Sie lieber naturbelassen und würzen Sie mit Kräutern.

Häufig gestellte Fragen rund um Ursachen und Behandlung der Halsschlagaderverengung (»Carotis-Stenose«)

Die Carotis-Stenose also eine Verengung der Halsschlagadern entsteht infolge einer Verkalkung der Halsschlagader (»Arteriosklerose«). Die Ursachen können vielfältig sein. Neben erblichen Faktoren spielen das Alter und der Fettstoffwechsel eine Rolle. Zudem können ernährungsbedingt hohe Blutfette, Rauchen und zu wenig Bewegung den Prozess beschleunigen.

Eine Halsschlagaderenge spürt man nicht. Alarmsignale sind erhöhte Blutfettwerte und kleinste Formen neurologischer Auffälligkeiten wie Schwindel, Gleichgewichtsstörungen oder kurzzeitige Gefühls- und Bewegungsstörungen in Armen und Beinen. Dann sollte die Halsschlagader präventiv untersucht werden, denn mit zunehmender Verengung erhöht sich das Risiko eines Schlaganfalls.

Medikamentös lässt sich eine Verengung maximal eingrenzen und der Prozess einer zunehmenden Verengung aufhalten. Das gelingt aber nur in Verbindung mit der optimalen Einstellung von Blutfettwerten, Blutdruck, ggf. Diabetes, dem Verzicht auf das Rauchen, gesunder Ernährung und Bewegung.

Beide Verfahren gelten nach aktueller Studienlage als gleichwertig. Bei einer Operation wird die Plaques aus dem Gefäß entfernt, während das Einsetzen eines Stents dafür sorgt, die Plaques zu stabilisieren und das Blutgefäß offenzuhalten. Von welchem Verfahren ein Patient stärker profitiert, hängt von vielen individuellen Faktoren ab: Dazu gehören Nebenerkrankungen, eventuelle Vor-Operationen oder auch die anatomische Lage des Blutgefäßes.

Mit der Entfernung der Plaques verringert sich das Risiko eines erneuten Schlaganfalls bezogen auf das operierte Gefäß wesentlich. Wie nachhaltig der Effekt ist, hängt stark von einer optimalen Einstellung der Blutfettwerten, Blutdruck, ggf. Diabetes und dem Lebensstil ab.

Es sind vor allem die lebensstilbedingten Risikofaktoren, die sich minimieren lassen. Dazu gehört eine gesunde, beispielsweise mediterrane Ernährung und der Verzicht auf das Rauchen. Bluthochdruck, erhöhte Blutfette und Diabetes sollten optimal eingestellt sein und bei einem Verdacht auf eine Verengung die Halsschlagader präventiv mittels Ultraschall untersucht werden.

Unser Experte für Gefäßerkrankungen

Dr. Thomas Bürkigt
Facharzt für Chirurgie, Gefäßchirurgie, Viszeralchirurgie
Telefon 03433 21-1501
thomas.buerkigt@sana.de

Stand: 29.04.2024

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